„Beyond Lake Villages“: Ein multidisziplinäres Projekt zu Erforschung von Besiedlungsmustern und Landschaftswandel im Hinterland der neolithischen Moor- und Seeufersiedlungen im nördlichen Alpenvorland

Tilman Bauma , Angelika Kleinmannb, Ursula Maierc, Martin Mainbergerdd, Josef Merktb, Oliver Nellec, Helmut Schlichtherlec, Stella Tomasic, Richard Vogtc, Lucia Wickc

aUniversität Basel
bHerbertingen
cLandesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg
dUWARC GbR

Der Vortrag berichtet über das trinationale deutsch-/schweizerisch-/österreichische Forschungsprojekt "Beyond Lake Villages / BeLaVi". Die archäologische Forschung der vergangenen Jahrzehnte befasste sich vorwiegend mit den großen Seen des Gebietes (z.B. Zürichsee, Bodensee, Bieler See). Neue paläoökologische Forschungen heben jedoch die Bedeutung von laminierten Seesedimenten hervor, die insbesondere in kleineren Seen auftritt, wie zuletzt für den Degersee im Westallgäuer Hinterland des Bodensees belegt wurde. Daraus können ultra-hoch aufgelöste Daten zu Vegetation, Paläoklima und menschlicher Landnutzung gewonnen werden. BeLaVi koordiniert Forschungen in drei Regionen mit kleinen Seen in den drei beteiligten Ländern, in denen laminierte Seesedimente ebenso wie neolithische Feuchtbodensiedlungen belegt sind. Projektziele sind unter anderem 1) die möglichst umfangreiche Erfassung der Zeugnisse neolithischer Lebensweise in den Gebieten, 2) die Verknüpfung von hochaufgelösten und sehr fein datierten geochemischen und paläobotanischen Datensätzen mit dendrochronologisch und AMS-datierten Siedlungsphasen, und 3) ein vertieftes Verständnis der ökonomischen Bedeutung und der Nutzungsweisen des Hinterlands der Feuchtbodensiedlungen.

Neben einer Darstellung von Projektpartnern, Methoden und ersten Ergebnissen der beteiligten Disziplinen werden die Forschungen in einem kleinen Moor bei Bodnegg im Westallgäu als Fallbeispiel der interdisziplinären Arbeitsweise vorgestellt. Dort wurden nach einer Fundmeldung archäologische Siedlungsschichten in Entwässerungsgräben bestätigt, deren Ausdehnung dann durch Geländebegehungen, Bohrungen und Georadar-Messungen untersucht wurde.

Erste pollenkundliche Analysen von geborgenem Material belegen Waldauflichtungen und einen Anstieg von Kulturlandanzeigern in den nach typologischen Kriterien auf das Endneolithikum datierten Schichten. Archäobotanische Untersuchungen weisen dagegen auf ein typisches Kulturpflanzenspektrum der Schussenrieder Kultur, also eher eines frühen Jungneolithikums hin. Neben diesem Ansatz wird ein weiteres Teilprojekt vorgestellt, in dem unter Verwendung eines agentenbasierten Simulationsmodells verschiedene Szenarien der Landnutzung im Zürichseegebiet entwickelt werden. Aufgrund des umfangreichen Wirtschafts- und umweltarchäologischen Datenbestands in dieser Region sowie eines ungewöhnlich hohen Anteils von dendrochronologisch präzise datierten Siedlungsbelegen eignet sich das Gebiet hierfür in besonderer Weise. Die resultierenden Simulationen umfassen einen Zeitraum von 1600 Jahren und erlauben den Test von Hypothesen über die Landnutzung und Aussagen über die Ausdehnung der menschlichen Wirtschaftsflächen auf Grundlage desbisherigen archäologischen Wissensstandes.